Ich und meine Schwester Klara

von Dimiter Inkiow
Bilder von Walter und Traudl Reiner

Signatur: JE Ink

Vielen Eltern sind diese Vorlese- und Selbstlesegeschichten für ältere Vorschulkinder und Schulkinder wahrscheinlich schon aus der eigenen Kindheit bekannt, denn bei dem Buch handelt es sich um eine Neuausgabe von Geschichten, die schon aus den 70er Jahren des 20.Jahrhunderts stammen.

In diesem Buch ist eine Sammlung der schönsten Geschichten des Ich-Erzählers versammelt, eines etwa vierjährigen Jungen, die er mit seiner zwei Jahre älteren großen Schwester Klara erlebt und die in loser Folge erzählt werden: Die Geschichten sind alle für sich verständlich, ohne dass eine Reihenfolge oder ein Gesamtzusammenhang beachtet werden müsste, nehmen aber durch immer wieder vorkommende Personen (und Tiere!) durchaus aufeinander Bezug.

Gleich zu Beginn stellt der kleine Erzähler sich und die zweite Hauptperson den Leserinnen und Lesern vor:

„Du kennst mich sicher nicht. Weißt du, das bin ich: Und das ist meine Schwester Klara:“. Beiden Doppelpunkten folgt eine an den Stil von Kinderzeichnungen angelehnte Zeichnung von zwei fröhlich lachenden Kindern mit bunt ausgemalten Kleidern, die sie das ganze Buch über tragen: Sie sind immer sofort zu erkennen, variieren nur durch Gesichtsausdruck und natürlich durch die jeweiligen Erlebnisse ihres Alltags. „Klara ist Klara und ich bin ich und Klara ist nicht ich.“

Damit ist die Perspektive klar: Der kleine Junge beschreibt und beurteilt seine Welt. Klara, Mama und Papa, Onkel Toni mit Frau und Baby, der Hund Schnuffi, eine Katze und einige andere Verwandte und Bekannte kommen darin vor und meistens wird die Welt der Erwachsenen mit den kindlichen Augen einer sehr genauen Prüfung unterzogen.

Sei es die neue Frau von Onkel Toni, die plötzlich dicker und dicker wird, bis sie kurz vorm Platzen zu stehen scheint… Leider weiß Tante Flora nicht so genau, wie sie das erklären soll, wo die Kinder herkommen…: Werden sie im Kaufhaus verkauft oder doch eher von Störchen gebracht oder wachsen sie wie Kohlköpfe auf dem Feld (alles von den entsprechenden Zeichnungen begleitet!). Man kann es sich vorstellen, Klara und ihr Bruder übernehmen die schwierige Aufgabe, die arme ahnungslose Tante Flora endlich aufzuklären!

Sei es, dass Klara Friseurin spielt („jede richtige Friseuse hat einmal angefangen“), nur leider ist ihr Kunde mit dem (kahlköpfigen) Ergebnis nicht ganz zufrieden…

Ebenso wie ihr nächstes Opfer, der Hund Schnuffi, dessen vordere Hälfte – denn nur das ist ihr Teil des Hundes! – sie blond einfärbt, woraufhin der kleine Bruder es auf der hinteren Hälfte mit schwarzem Wildlederspray versucht…

Gern kommen in diesen unpassendsten Augenblicken Mama oder Papa (oder beide herein), wissen manchmal nicht, ob sie lachen oder weinen sollen und regeln meist mit stoischer Ruhe (von der man als realer Erwachsener in entsprechender Situation oft wohl eher meilenweit entfernt wäre!) das größte Chaos. Oder sie fragen auch nur erschrocken: „Mein Gott, was ist hier passiert?“ Dabei hat die Hauptperson doch nur einen Schwimmkurs in der Badewanne absolviert, nachdem die große Schwester mitfühlend festgestellt hat: „Du bist wirklich ein armes Würstchen. Was willst du denn in den Ferien am Meer machen, wenn du gar nicht schwimmen kannst?“. So wird das Konfliktfeld große Schwester – kleiner Bruder in vielen Geschichten bearbeitet (z.B. „Der Schulranzen“, „Der Stärkere“, „Unser Hund Schnuffi“): „Klara ist eben so. Mit ihr werde ich sicher noch lange Ärger haben.“

Wunderbar auch, wie die Kinder den ungebetenen Staubsaugervertreter die gesamte Wohnung säubern lassen, um dann lapidar festzustellen, dass der neue Staubsauger fast genauso gut sei „wie unser alter“; oder wie die gegen eventuelle Räuber über der Zimmertür aufgebaute Konstruktion mit einem gefüllten Wassereimer sich über den erstaunten Papa ergießt, der nur „nachschauen wollte, wie es uns ging“…

Die Zeichnung illustriert das, was unvermeidlich gleich passieren wird, hier schon im vorhinein: Die friedlich schlafenden Kinder, während sich die ersten Tropfen über das erstaunte Gesicht des Vaters ergießen; hier haben die Kinder sozusagen einen Vorteil: man darf schon mal – irgendwie schadenfroh, aber dennoch von Herzen – kichern über das, was den Erwachsenen, die sonst immer die Klügeren zu sein scheinen, passiert!

Ein schönes (Vor-)Lesevergnügen für ältere Vorschul- und Grundschulkinder, aber eben auch für die Erwachsenen, die sich und das, was man manchmal so alles ohne viel Überlegung dahinsagt, gespiegelt sehen, wörtlich genommen von zwei „neunmalklugen“ Kindern:

„Tausendmal habe ich ihnen gesagt, sie sollen ihr Kinderzimmer aufräumen. Es sieht wie eine Rumpelkammer aus.“

Prompte Reaktion: „Wir waren beide sehr empört. … „Das ist gelogen! Du hast uns überhaupt nicht tausendmal gesagt, dass wir das Kinderzimmer aufräumen sollen. … Tausendmal ist, wenn du uns tausend Tage hintereinander sagst, dass wir aufräumen sollen.“

Eine unbestechliche Logik! Und natürlich führt das Aufräumen zweier plötzlich ganz ordentlich gewordenen Kinder dazu, dass hinterher die Erwachsenen suchen müssen, denn nun sind ja endlich alle Sachen an ihrem richtigen Platz!