Justin Time

Zeitsprung

von Peter Schwindt

Wir leben im England des Jahres 2385.

Das ist die Gegenwart des elternlosen, etwa zehnjährigen Jungen Justin Time (jawohl, der Gedanke an die englische Wendung „just in time“, das heißt „gerade noch rechtzeitig“ ist richtig und bedeutsam!), der als sogenannte „Zeitwaise“ in einem Internat bei London lebt, nachdem seine Eltern Avery und Annie Time (!!) bei einem Experiment im Rahmen des Projektes „AION“ zur Erforschung von Zeitreisen in den Weiten der Vergangenheit verschwunden sind; ein Ereignis aus seiner frühesten Kindheit, an das sich der Junge dunkel erinnert.

Einer geheimnisvollen Einladung nach London folgend, verlässt er ohne Erlaubnis in den Ferien das Internat, um der Einsamkeit und Langeweile zu entgehen, aber auch auf der Suche nach Erklärung für das geheimnisvolle Verschwinden seiner Eltern.

Und landet direkt bei der Pressekonferenz des neu eröffneten „Zeitreisebüros“ seines Onkels Chester Time, der soeben seinen ersten Kunden auf Zeitreise geschickt hat – die erste nach dem ungeplanten Verschwinden der Eltern von Justin sieben Jahre zuvor. Auch hier geht etwas schief, und der Zeitreisende droht den uns bekannten Ablauf der Geschichte durcheinander zu bringen:

Charles Darwin, der mit seinen Forschungen zur Entwicklung der Arten, unter anderem der Abstammung des Menschen und dessen Verwandtschaft mit dem Affen, die Vorstellung der Menschen von einer Schöpfungsgeschichte in sieben Tagen mit dem Menschen als der „Krone der Schöpfung“, im 19.Jahrhundert schwer erschütterte, befindet sich auf der Rückreise von Forschungen in Südamerika an Bord eines Schiffes, das auf der Heimreise nach England unter dem Einfluss des verirrten Zeitreisenden aus dem 24.Jahrhundert sinken wird. Seine weltbewegende Evolutionstheorie hätte es dann niemals gegeben..

Also macht Justin sich auf den Weg, durch die Zeitreisemaschine ins 19.Jahrhundert, um zu verhindern, dass sich durch den Zeitreisenden der Verlauf der Geschichte, die „Zeitlinie“, verändert und um den Verirrten zurück in seine Gegenwart zu bringen.

Er gelangt dabei nicht nur auf das Schiff, das unterzugehen droht, sondern auch im London des 19.Jahhunderts zur Zeit der Weltausstellung im Jahre 1862 hat er einige spannende Abenteuer zu bestehen, denn die Rechenmaschine eines gewissen Charles Babbage soll dort vorgestellt werden, was die Erfindung des Computers um etwa achtzig Jahre vorverlegt hätte…

Zusammen mit Davy und seiner Schwester Fanny, zwei Kinder, die unter unwürdigen Bedingungen im London ihrer Zeit leben, gelingt es ihm in abenteuerlichen Verwicklungen, bei denen der Leser ganz nebenbei viel Informatives über die Lebensumstände der Zeit erfährt, die Veränderung der Zeitlinie zu verhindern.

Genau dies macht das Buch so spannend und unterhaltsam: die Mischung aus utopischem Zeitreiseroman, in den die tatsächlichen historischen sowie wissenschaftlichen Gegebenheiten verwoben sind, so spannend erzählt, dass der Leser sich an keiner Stelle „belehrt“ vorkommt, sondern das Informative immer als interessanten Teil des Romangeschehens wahrnimmt. Verkehrs- und Transportsysteme, Architektur, soziale Lebensbedingungen, das Computerzeitalter, aber auch die physikalischen Hintergründe bei der Darstellung der Funktionsweise der Zeitreisemaschine selbst sind immer spannend erzählt und zugleich informativ.

Und durch das Buch hindurch bleibt für Justin die Lösung des Rätsels um das Verschwinden seiner Eltern bestehen – „wie ein Puzzle .., bei dem die Hälfte der Teile fehlt“ – , vielleicht sogar, die beiden selbst zu finden…

Eva Krone

Erschienen bei “rororo rotfuchs”